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Das Problem mit den Fiebersenkern

Gerade jetzt, wo wir uns einem Virus ausgeliefert fühlen, gegen das noch kein so rechtes Kraut gewachsen ist und das überdurchschnittlich häufig schwere Verläufe verursacht, suchen viele nach Hausmittelchen und Immunstärkern in der Apotheke. 

Da gibt es sicher einiges, das Sinn macht (dazu bald mehr), was aber bestimmt weniger sinnvoll ist als gedacht, sind die klassisch empfohlenen Fiebersenker. Denn, Fieber ist tatsächlich eine unserer schärfsten Waffen im Kampf gegen Virusinfektionen! Es wirkt nämlich direkt auf die Erreger, indem es ihre Vermehrung hemmt (für bestimmte Viren bis zu 200-mal langsamer bei 41 °C Fieber) oder zumindest ihre Virulenz abschwächt. Außerdem verstärkt Fieber unsere Immunantwort (von der es ja eigentlich auch Teil ist): Es fördert unter anderem die Phagozytoseaktivität von Immunzellen und die Einwanderung von Lymphozyten in das entzündete Gewebe. Zuletzt darf man nicht das durch Fieber verursachte Krankheitsgefühl unterschätzen, das dem angeschlagenen Menschen sagt: „Geh nach Hause und ruh dich aus, so hat das grad keinen Wert mehr!“ Für diese innere Stimme ist in unserer modernen Welt natürlich nur noch wenig Platz, der Preis für Hochleistung in allen Lebenslagen kann allerdings eine - gerade bei Covid-Patienten häufig auftretende - bleierne Erschöpfung (Chronic-Fatique-Syndrom) und ein wesentlich verlängerter Genesungsprozess sein. 

Weil Fieber das alles kann, finde ich, macht es Sinn, sich 1. mit seiner Entstehung, 2. mit seinem in Studien nachgewiesenen Nutzen und 3. seiner moderaten Senkung in begründeten Fällen zu beschäftigen.

 

Fieber ist eine über die üblichen Schwankungen hinaus erhöhte Körperkerntemperatur. Schwellenwerte anzugeben ist dabei meist wenig sinnhaft, da diese interindividuell und auch bei einzelnen Personen im Tagesverlauf bzw. je nach Aktivitätsniveau stark schwankt. Richtwerte für Erwachsene können die folgenden sein:

 

< 38 °C: subfebrile Temperatur
38 bis 38,4 °C: mäßiges Fieber

38,5 bis 40,4 °C: hohes Fieber
> 40,5 °C: extremes Fieber

 

Für Säuglinge (vor allem in den ersten drei Monaten) und Kleinkinder bis drei Jahre gelten andere Richtwerte!
Im Gegensatz zur weit verbreiteten Annahme ist eine Erkrankung nicht umso schlimmer, desto höher das Fieber steigt. Das Dreitagefieber zum Beispiel ist relativ harmlos, geht aber mit hohem Fieber einher.

 

Die Körperkerntemperatur wird vom Hypothalamus zentral gesteuert. Ist diese niedriger als der Sollwert, kann sie durch Aktivierung des Stoffwechsels und des sympathischen Nervensystems erhöht werden. Es kommt dadurch zu einer Verengung peripherer Gefäße und einer Hemmung der Schweißbildung. Bei einer großen Differenz wird die Wärmeproduktion durch Muskelzittern (Schüttelfrost) gesteigert. Sinkt der Sollwert, zum Beispiel durch die Gabe von Antipyretika unter die Körperkerntemperatur, dann wird diese durch Hemmung des Sympathikus und damit verbundene periphere Vasodilatation und vermehrtes Schwitzen gesenkt.

Pyrogene wie zum Beispiel bakterielle Endo- und Exotoxine oder die Interleukine 1 und 6 sowie TNFα lösen Fieber über die Ausschüttung von Prostaglandin E2 (PGE2) im hypothalamischen Endothel aus. Dieses wirkt auf den EP3-Rezeptor, der durch den Second Messenger cAMP den Sollwert für die Körperkerntemperatur erhöht. In der Körperperipherie führt das gebildete PGE2 zu Gliederschmerzen, die Fieber häufig begleiten. Zu hohe Temperaturen werden durch spezielle antiinflammatorische Botenstoffe und die Stimulierung wärmesensitiver Neurone vermieden.
Fieber erhöht generell die zentralnervöse Aktivität, was bei Erwachsenen zu Fieberträumen und vor allem bei kleinen Kindern zu Fieberkrämpfen führen kann.

 Vom Fieber abzugrenzen ist der unkontrollierte Anstieg der Körpertemperatur, die Hyperthermie. Diese kann durch verschiedene Stoffwechselentgleisungen wie eine Hyperthyreose, Medikamente und Drogen, einen Hitzschlag oder ein Schädel-Hirn-Trauma verursacht werden. Die maligne Hyperthermie ist ein durch eine fehlgeleitete intrazelluläre Calciumregulation der Skelettmuskulatur hervorgerufener Temperaturanstieg, der selten durch verschiedene Narkosemittel ausgelöst wird. Eine Hyperthermie ist durch die fehlende Regulation immer schädlich und muss behandelt werden! Fieber dagegen hat wie oben bereits beschrieben zahlreiche positive Effekte, die sich bereits in Studien nachweisen ließen.

 

In den ersten Experimenten zur positiven Wirkung von Fieber wurden infizierte Tiere beobachtet: Bestimmte Wüsten-Eidechsen zum Beispiel suchen, nachdem man sie mit Bakterien infiziert hat, besonders sonnige Plätzchen auf und erhöhen damit ihre Körpertemperatur um 2 Grad. Dadurch überleben immerhin 75 %. Hindert man sie daran oder gibt Fiebersenker, überleben nur noch 25 %! Unterdrückt man das Fieber, das Hasen bei einer Rinderpest-Infektion entwickeln mit ASS, dann sterben daran nicht wie normalerweise 16 %, sondern 70 % der Tiere!

Und auch bei Menschen lässt sich der positive Effekt des Fiebers nachweisen: Eine künstlich herbeigeführte Influenza-Infektion dauerte in einer Studie um so länger an, je mehr Ibuprofen die Probanden einnahmen. Ganz ohne dauerte sie 5,3 Tage, mit der Höchstdosis im Schnitt 8,8 Tage. In einer weiteren Studie mit Rhinoviren traten unter Fiebersenkern nicht nur mehr Krankheitssymptome auf, sondern auch die Immunantwort fiel schwächer aus. Diese Erkenntnis ist auch wichtig für die Therapie von Impf-Fieber: Mehrere Studien an Kindern zeigten, dass Impfungen schlechter angingen, wenn man anschließend „prophylaktisch“ Fiebersenker gab. Sogar Studien auf Intensivstationen zeigen, dass Patienten unter aggressiver Fiebersenkung ein erhöhtes Mortalitäsrisiko besitzen.

 

Das sind viele gute Gründe dafür, Fiebersenker äußerst sparsam einzusetzen - nur bei Bedarf („ich muss aber arbeiten“ gilt bei Covid ja Gott sei Dank nicht...) und so niedrig dosiert wie möglich. Vielleicht verschafft ja auch der gute alte Wadenwickel Erleichterung? 

Ausnahmen gibt es natürlich auch hier: Erkrankungen, die die Sauerstoffversorgung beeinträchtigen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, COPD, etc.) und zum Beispiel solche, die mit einem erhöhten Krampfrisiko einhergehen (Epilepsie oder eine Neigung zu Fieberkrämpfen bei kleinen Kindern). Auch bei schweren Covid-Verläufen kann eine Fiebersenkung Sinn machen.
Gut ist es in jedem Fall, bei Fieber ausreichend zu trinken (je Grad Fieber benötigt der Körper einen Liter mehr Flüssigkeit am Tag!) und sich entsprechend zu schonen. Denn eines ist Fieber auf jeden Fall: Ein Warnzeichen, dass da etwas nicht stimmt im Körper und er jetzt dringend eine Pause braucht!