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Plausibilitätsprüfung von Rezepturen in der Apotheke

Laut Apothekenbetriebsordnung muss jede Rezeptur vor der Anfertigung von einem Apotheker nach pharmazeutischen Gesichtspunkten überprüft werden. Es gibt mittlerweile einige Literatur zum Thema Plausibilitätsprüfung und auch diverse Programme bzw. Online-Angebote, die uns die Arbeit abnehmen sollen. Allerdings passiert es auch hier, dass wir entweder Meldungen nicht richtig einordnen und interpretieren können, weil das Programm uns die Grundlage seiner Prüfung nicht offenbart oder es wird nur ein Problem aufgeworfen („inkompatibel!“), ohne eine Lösung zu liefern. Und plötzlich ist man wieder auf das eigene Wissen und Können zurückgeworfen. Da noch vor wenigen Jahren die Plausibilitätsprüfung von Rezepturen in der Ausbildung bzw. im Studium keine große Rolle spielte, ist dieses eher dünn und häufig lückenhaft. Abhilfe schafft ein solides Grundgerüst, auf dem sich durch Übungen aufbauen lässt.

 

Oft wird die geforderte Plausibilitätsprüfung auf die Untersuchung auf Inkompatibilitäten bzw. Unverträglichkeiten der Rezepturbestandteile reduziert. Diese ist allerdings nur ein Teil des Ganzen – eine Überprüfung nach § 7 ApBetrO umfasst das Therapiekonzept, die Stabilität und legt die Aufbrauchfrist fest.

Außerdem muss nach § 5 AMG ausgeschlossen werden, dass bedenkliche Rezepturen in den Verkehr gebracht werden. Bedenklich ist eine Rezeptur oder einer ihrer Bestandteile dann, wenn ihr potenzielles Risiko (von Nebenwirkungen etc.) ihren Nutzen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch übersteigt. Ein parenterales Zytostatikum hat ein hohes Nebenwirkungspotenzial, ist selbst kanzerogen und hoch toxisch. Wenn es aber bestimmungsgemäß (zum Beispiel intravenös) entsprechend seiner Indikation appliziert wird, ist sein Nutzen (den Krebs besiegen!) größer als sein Risiko. Wird ein CMR-Stoff wie Phenol aber zum dermatologischen Peeling gegen Falten eingesetzt, rechtfertigt das jüngere Aussehen nicht das Risiko mutagener Einflüsse auf die Haut. Diese Bewertung ist also zunächst hoch individuell, kann aber mit Hilfe der regelmäßig durch die AMK der Apotheker veröffentlichten Liste (veröffentlicht in der Pharmazeutischen Zeitung) vorgenommen werden. Ebenfalls als bedenklich sind Ausgangsstoffe zu bewerten, die keine nachgewiesene pharmazeutische Qualität besitzen (Prüfzertifikat!), wie zum Beispiel Haushaltszucker zur Herstellung von Sirup etc.

 

Das Therapiekonzept zu überprüfen ist für die öffentliche Apotheke gar nicht so einfach – kennen wir doch weder die Diagnose noch Patientendetails wie Gewicht oder ähnliches. Trotzdem müssen wir prüfen, ob der Arzneistoff zur Applikationsart passt und erleben dabei durchaus Überraschungen. So kann ein Betablocker dermal durchaus Sinn machen (nämlich zur Behandlung von Blutschwämmchen). Außerdem soll sich die Dosierung des Wirkstoffs innerhalb der anerkannten Grenzwerte bewegen (Normdosierung) – Abweichungen sollten in jedem Fall mit dem Arzt besprochen werden!

 

Den größten Raum nimmt die Überprüfung der Stabilität innerhalb der festzulegenden Aufbrauchfrist ein. Hier wird auf Inkompatibilitäten von Wirk- und Hilfsstoffen, mikrobiellen oder chemisch-physikalischen Verderb kontrolliert. Inkompatibilitäten sind Unverträglichkeiten beispielsweise des Wirkstoffs mit der Grundlage, die entweder die Wirkung des Arzneistoffs oder die Anwendbarkeit der Zubereitung beeinträchtigt. So kann zum Beispiel die Grundlage aufgrund der Interaktion mit dem Wirkstoff brechen oder das Konservierungsmittel verliert seine Wirkung. Erstere gehört zu den sofort erkennbaren, manifesten Interaktionen; die zweite zu den meist schwerwiegenderen, larvierten (versteckten) Unverträglichkeiten. Fast alle lassen sich einem der folgenden vier Mechanismen zuordnen: ionische Wechselwirkungen, Interaktion von phenolischen Wirkstoffen mit Etherbrücken in Hilfsstoffen (Macrogole, Celluloseether), Störung des W/O-Emulsionssystems durch einen Arzneistoff mit Tensideigenschaften (O/W) oder pH-bedingte Unverträglichkeiten. Es geht hier aber nicht nur darum, das Problem zu identifizieren (und im schlechtesten Fall dem Arzt zur Lösung zurückzugeben), sondern darum, einen Vorschlag zu dessen Behebung zu erarbeiten. Macht ein kationischer Wirkstoff in der Grundlage mit anionischem Emulgator Probleme, macht es zum Beispiel Sinn, eine nichtionische Grundlage zu wählen. Oft sind Lösungen auch nicht vollständig zufriedenstellend aber notwendig – wenn zum Beispiel kein Weg an zwei getrennten Rezepturen vorbei führt oder die Aufbrauchfrist von semistabilen Zubereitungen massiv verringert werden muss.

 

Für die in diesem Schritt optimierte Rezeptur gilt es dann noch die mikrobiologische Stabilität einzuschätzen und, wenn nötig, zu verbessern. Wasserhaltige Zubereitungen sollten – wenn aus Patientensicht nichts dagegen spricht – ausreichend konserviert werden. Bei der Verwendung fertiger Grundlagen ist dies meistens gewährleistet, kommt allerdings zusätzliches Wasser ins Spiel, muss auch dieses konserviert werden. Bei der Auswahl des Konservierungsmittels ist wieder dessen Kompatibilität mit den anderen Bestandteilen der Rezeptur zu beachten, sowie unter anderem Allergien des Patienten, sein pH-Wirkoptimum, etc.
Ist ein oxidationsempfindlicher Wirkstoff verordnet, bietet sich der Zusatz von Antioxidantien wie Vitamin E an; Hydrolyse-anfällige Arzneistoffe sollten nur bei Stabilitäts-optimierten pH-Werten verarbeitet werden. Am Ende dieser Stabilitätsprüfung steht die Festlegung der Aufbrauchfrist – die sich zwar an Tabellenwerten orientieren kann, aber trotzdem individuell und abhängig von Rezeptur und Packmittel bestimmt werden sollte.

 

 

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