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Diabetes mellitus

Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Stoffwechselkrankheiten – bezieht man eine recht hohe Dunkelziffer mit ein, so ist rund jeder zehnte Deutsche betroffen. Davon leiden über neunzig Prozent am Typ 2. Diabetes mellitus bezeichnet einen krankhaft veränderten Glucosestoffwechsel mit chronischer Hyperglykämie (nüchtern > 100 mg/dL Blut). Ab 180 mg/dL kann die Glucose in der Niere nicht mehr rückresorbiert werden, der Urin schmeckt „honigsüß“ („mellitus“) und sein Volumen steigt aus osmotischen Gründen („Diabetes“ = „Durchfluss“). Dazu kommt ein vermehrtes Durstempfinden – der Körper versucht, das hyperosmotische Blut zu verdünnen.

 

Man unterscheidet vor allem Typ 1 und Typ 2, die zunächst dieselben oben genannten Symptome zeigen. Sie haben allerdings ganz unterschiedliche Ursachen und unterscheiden sich in weiteren Symptomen und vor allem der Behandlung. Der physiologische Zuckerstoffwechsel dient als Grundlage, um die unterschiedlichen Ausprägungen des Diabetes mellitus zu verstehen: Die Aufnahme von Glucose in Muskel-, Fett- und Leberzellen (nicht in Gehirnzellen) ist abhängig von einem endokrinen Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird: Insulin. Dieses Hormon wird ausgeschüttet, sobald der Glucosespiegel im Blut steigt und sorgt dafür, dass in die Körperzellen vermehrt Glucosetransporter eingebaut werden. Die Glucose gelangt nun zum Beispiel in die Muskelzelle und kann dort für die Energiegewinnung genutzt werden; der Blutzuckerspiegel sinkt wieder.

 

Beim Typ 1-Diabetiker wurden die Insulin-bildenden B-Zellen des Pankreas zum Beispiel durch einen Virusinfekt zerstört und es wird kein Insulin mehr gebildet. Das geschieht oft ganz akut! Der Zucker kann aufgrund des fehlenden Insulins nicht mehr in Körperzellen aufgenommen werden und bleibt im Blut. Nun fehlt die Energie entsprechend in den Körperzellen, die andere Wege der Energiegewinnung nutzen. So werden vor allem Fette entsprechend abgebaut und in die Atmungskette eingeschleust. Der Patient nimmt ab, fühlt sich „energielos“ und schlapp. Dabei fallen Ketonkörper (zum Beispiel Aceton) als Abfallprodukte an. Diese kann man im Atem riechen (wie gärendes Obst) oder im Urin nachweisen. Allerdings funktioniert die Ausscheidung so schlecht, dass sich Ketonkörper im Blut ansammeln und dieses ansäuern (Ketoazidose). Das ist lebensgefährlich und tritt teilweise schon bei hochnormalen Blutzuckerwerten, meist aber ab 350 mg/dL auf. Bei einem akut manifestierten Typ 1 Diabetes ist das (akute) ketoazidotische Koma meist der Punkt, an dem der Patient mit Bewusstseinstrübung (oder schon Bewusstlosigkeit), besonders tiefer (Kussmaul-) Atmung und starken Bauchschmerzen das erste Mal in ärztliche Behandlung gelangt. Eine Insulinsubstitution ist hier der einzige Weg, um den Stoffwechsel des Patienten wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Er wird stationär „eingestellt“ und geschult.

 

Der Typ 2 Diabetiker ist häufig schon aufgrund anderer Erkrankungen in Behandlung; hat zum Beispiel hohen Blutdruck oder hohe Blutfettwerte und ist oft übergewichtig. Seine Bauchspeicheldrüse stellt zu Beginn genug Insulin her. Da die Körperzellen aber schon ausreichend mit Energie versorgt sind, reagieren sie nicht mehr adäquat auf die Insulinbotschaft (Insulinresistenz). Es werden weniger Glucosetransporter in die Zellmembran eingebaut, der Blutzuckerspiegel steigt schon langsam an. Um dies zu kompensieren, bildet die Bauchspeicheldrüse zunächst mehr Insulin, ist aber – wenn an dieser Stelle die Lebensweise nicht verändert oder eine Therapie eingeleitet wird – bald erschöpft und stellt irgendwann die Produktion an Insulin ganz ein. Der Blutzuckerspiegel steigt hier also weniger akut, dafür aber stetig an und führt zu einer Hyperosmolarität des Blutes. Diese wird zunächst durch vermehrten Durst und eine vermehrte Urinausscheidung kompensiert, führt aber irgendwann zur Exsikkose mit Elektrolytmangel und damit ebenfalls zur Bewusstseinstrübung (hyperosmolares Koma) mit Übelkeit und Erbrechen. Durch die längere Latenz sind die Blutzuckerwerte sehr viel höher – häufig über 600 mg/dL. Nun ist es höchste Zeit, auch den Typ 2 Diabetiker auf eine Insulintherapie einzustellen. Begibt der Patient sich bereits vorher, vielleicht aufgrund von größerem Durst und erhöhter Urinausscheidung zum Arzt, so wird dieser (je nach Glucose- und evtl. Insulinwerten) zunächst eine Ernährungsumstellung und mehr Bewegung verordnen, bevor er zusätzlich Arzneimittel einsetzt. Diese verbessern entweder die Wirkung des Insulins (z. B. Metformin) oder die Freisetzung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse wird verstärkt (z. B. Sulfonylharnstoffe wie Glibenclamid). Es gibt noch einige andere Wirkprinzipien der sogenannten „oralen Antidiabetika“ – manche steigern die Ausscheidung der Glucose über den Urin (z. B. Dapagliflozin in Forxiga®), andere hemmen ihre Aufnahme aus dem Darm (z. B. Acarbose). Insgesamt funktionieren sie aber alle nur, wenn noch genügend Insulin produziert wird, sind also nur in frühen Stadien des Typ 2 oder in Kombination mit einer Insulinsubstitution indiziert!

 

Außer den Typen 1 und 2 gibt es noch weitere, eher seltene Formen. Bekannt ist einigen der Gestatitionsdiabetes durch das Screening um die 25. Schwangerschaftswoche. Vor allem bei einer latenten Insulinresistenz vor der Schwangerschaft, kann sich dieser mit fortschreitender Entwicklung des Fötus manifestieren. Verursacht wird dies durch verschiedene Schwangerschaftshormone, die alle Insulin antagonisieren und somit sicherstellen, dass auch in Hungerperioden (und davon gab es in unserer evolutionären Vergangenheit genug!) ausreichend Energie beim Baby ankommt. Da wir in unseren Breitengraden aber tatsächlich im Überfluss leben, werden nicht nur unsere Babys immer propperer geboren, sondern auch das Risiko eines Diabetes mellitus bei Schwangeren größer. Allerdings manifestiert er sich bei wenigen Frauen unabhängig von Risikofaktoren, wahrscheinlich aufgrund einer genetischen Prädisposition. Aufgrund der Vielzahl an Komplikationen durch einen Schwangerschaftsdiabetes für Mutter und Kind weit über die Geburt hinaus ist die Durchführung des Screenings immer zu empfehlen und die Therapie absolut notwendig!

 

Das Ziel jeder Diabetestherapie ist eine „gute Einstellung“ des Zuckers. Es reicht nämlich nicht, den Patienten vor einem hyperglykämischen Koma zu bewahren, es gilt vor allem mögliche Folgeerkrankungen durch einen zu hohen Blutzuckerspiegel heraus zu zögern oder zu verhindern. Glucose ist ein sehr reaktives Molekül und reagiert mit funktionellen Proteinen in den kleinsten Gefäßen. Diese werden dadurch beschädigt (Mikroangiopathie) und beeinträchtigen die Funktion der entsprechenden Organe (Retinopathie, Nephropathie, diabetischer Fuß). Diabetes ist die häufigste Ursache für das Erblinden oder ein dialysepflichtiges Nierenversagen in Deutschland! Durch den hohen osmotischen Druck der Körperflüssigkeiten werden darüber hinaus Nervenzellen geschädigt (Neuropathie), was sich in Taubheitsgefühlen und Kribbeln der Extremitäten und schließlich ebenfalls dem diabetischen Fuß zeigt. Schließlich beeinflusst das Überangebot an Energie in Form von Zucker auch den Fettstoffwechsel – die Blutfettwerte steigen, das Risiko für eine Arteriosklerose (Makroangiopathie) mit den entsprechenden Manifestationen nimmt massiv zu.

 

Damit es soweit nicht kommt, kann man den Glucosespiegel täglich mit Blutzuckermessstreifen überprüfen. Der Arzt wird auf jeden Fall regelmäßig das sogenannte „Blutzuckergedächtnis“, den HbA1c-Wert bestimmen. Dieser gibt den Anteil von Hämoglobin an, der glucosyliert, also an Glucose gebunden vorliegt. Normalerweise liegt er bei 4,4 bis 6 %, je nach Alter und Comorbidität werden bei Diabetikern Werte zwischen 6,5 und 9 % angestrebt. Außerdem sollten in regelmäßigen Abständen Termine beim Nephrologen, Augenarzt oder bei der Fußpflege wahrgenommen werden.

 

Tatsächlich sehen wir unsere Diabetespatienten aber am häufigsten in der Apotheke! Wir können nachfragen, wie es denn klappt mit dem Spritzen, ob die Tabletten schon angeschlagen haben (wie, es wurde noch kein Blut genommen?) und feiern jedes Kilo, das durch regelmäßiges Walken purzelt. Wir helfen bei „kaputten“ Pens, messen Blutzucker und wenn’s sein muss erinnern wir auch an den Augenarzt… Damit ihr dafür gut gerüstet seid, findet ihr rund um das Thema Diabetes unter https://eduvideo.de/courses/diabetes-mellitus/ ein wie immer mit viel Liebe und Hirnschmalz erstelltes Webinar zum Thema (das sich übrigens auch zur Vorbereitung auf die ApoPrax-Prüfung perfekt eignet…).